Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen

“Auf dem Wohnungsmarkt droht bald ein schlimmes Erwachen”

“Teilen des Immobilienmarktes geht es sehr schlecht.” Davor warnte ZIA-Präsident Mattner bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens der Immobilienweisen am gestrigen Tage in Berlin.

Dr. Andreas Mattner hat das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen heute an die offenbar völlig überforderte Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben. Die Regierung hängt weit hinter den eigenen Plänen, her, wir prognostizierten das bereits Anfang Juni letzten Jahres. Inzwischen war das einzige, was Geywitz dazu zustande gebracht hat, offenbar eine minimale Anpassung bei der linearen Abschreibung, Hinweise dazu, aus der Wohnungswirtschaft ignoriert oder verschläft sie.

Bauinvestitionen sind in vielen Bereichen unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht, so Dr. Mattner. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen ließen in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen in den tiefroten Bereich rutschen.

Beim Wohnungsbau aber zeichnet sich eine zunehmende Dramatisierung ab. Erreichbare Mieten liegen nun immer häufiger unterhalb der Kostenmieten. Der ZIA fordert angesichts der immer schärferen Zuspitzung der Lage einen „radikalen Abschied von finanziellen und regulatorischen Begrenzungen, mit denen staatliche Akteurinnen und Akteure die Immobilienwirtschaft in Krisenzeiten zusätzlich ausbremsen“.

„Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir ein Wohnungs-Debakel in 2025 nicht mehr abwenden können. Hier ist es nicht mehr fünf nach zwölf, sondern Viertel nach drei, und es wird um sechs ein unangenehmes Erwachen geben.“
Dr. Andreas Mattner 14.02.2023

Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen hat sich in den 20 Jahren seit dem Start zum bewährten Datenfundus für Immobilienwirtschaft, Politik, Wissenschaft sowie die breite Öffentlichkeit entwickelt und wird vom ZIA – dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, der 37.000 Mitglieder vertritt – herausgegeben.

„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert einen Wendepunkt für Europa und nimmt starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung“, kommentiert Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, der in dem Gutachten die gesamtwirtschaftliche Lage analysiert hat, die Veränderungen. Er hält fest: „Inzwischen wird zunehmend von einer kurzen und milden Rezession für 2023 ausgegangen, wenn sie denn überhaupt eintritt.“

Ein Befund Felds mit Blick auf die Branche: Bauinvestitionen sind aktuell so unattraktiv wie seit langem nicht mehr. Seine Analyse: „Vielen Projektentwicklern und Wohnungsunternehmen fehlen die Anreize zu bauen, weil zum einen die Aussicht auf sinkende Immobilienpreise bei gleichzeitig steigenden Baukosten und teuren (Zwischen-)Finanzierungen riskant ist. Zum anderen ist die Toleranz für höhere Mieten angesichts der hohen Inflation und niedriger Realeinkommen gering, und das schmälert die Mietenrenditen bei gleichzeitig steigenden Zinsen.“

Mattner: „Stopp beim Wohnungsneubau ein Menetekel“

Die wachsende „Wirtschaftlichkeitslücke“ könnte eine immer bedrohlichere „Wohnraumlücke“ auslösen.  „Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor, im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung.

Für 2025 könnte die Lücke bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Mio. Menschen liegen“, so Mattner, „das entspräche fast dem Wohnungsbestand des Saarlandes und Bremen zusammengenommen.“

Zusätzlicher Bedarf durch Flüchtlinge

Wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Deutschland Hilfe suchen, ist der Bedarf zusätzlich gestiegen. Der dramatische Mangel ist umso ernster; als erschwinglicher, klimagerechter Wohnraum zu den Basics eines guten Zusammenlebens der Gesellschaft gehört. „Wir müssen alles tun, um eine verschärfte Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern, weil ansonsten auch die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gefährdet wird“, warnt Mattner. Mit konventionellem Wohnungsbau mit „X Jahren Genehmigungsvorlauf und mindestens zwei Jahren Realisierungszeit“ sei selbst bei einem Start in diesem Februar eine Fertigstellung 2025 schon nicht mehr zu schaffen.

Eine weitere Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkt sei daher eine „sehr konkrete Gefahr“, aber „eben kein Automatismus“, betont Mattner mit Blick auf Prof. Felds Prognose einer allenfalls kurzen und milden Rezession.

Lösungsansätze / Forderungen

  1. Preissenkung beim Wohnungsbau und damit Abbau der enormen Staatsquote
  2. Verbesserte Finanzierungsbedingungen, zu denen eine nennenswerte Förderung wie in der Vergangenheit sowie eine echte degressive AfA gehören
  3. Verzicht auf eine weitere Begrenzungen der Einnahmeseite
  4. Abschied von der Mietpreisbremse und generell einen strikten Verzicht auf weitere Mietenregulierung.
  5. Umsetzung von seriellem und vor allem modularen Bauen auf breiter Front, „ohne Verzug“
  6. Einen schnellen Anlauf bei der Neubauförderung mit einem Volumen von insgesamt 10 Milliarden Euro jährlich
  7. Eine Ausweitung der KfW-Kredite zur Vergrößerung des finanziellen Spielraums
  8. Eine degressive Sonder-AfA, die den Namen verdient
  9. Die Öffnung von § 246 des Baugesetzbuchs als generellen Freiraum für einfachen, schnellen und bezahlbaren Wohnungsbau (§ 146 wurde ursprünglich als Sonderregelung eingeführt für Flüchtlingsunterkünfte)
  10. Intelligente Lösungen, um die Klimaziele mit einem Kostenrahmen zu erreichen, der leistbar ist

Bundesbauministerin Klara Geywitz habe sich immer wieder offen gezeigt für die Fakten der Praktikerinnen und Praktiker, so Mattner. Für den Bereich Wohnen aber müsse der Bundeskanzler die Wende zur Sache der gesamten Regierung machen, wie er dies einst in seiner Regierungszeit in Hamburg erfolgreich getan habe.

Es sei an der Zeit, „unangenehme Wahrheiten auszusprechen“, sagte Mattner.

Der Staat selbst müsse auf breiter Front „Abschied nehmen vom Modell ‚Kassieren und Regulieren‘“. Bislang habe Politik Mangel allzu oft mit Regulierung beantwortet und damit das Problem vergrößert, weil so weniger Wohnungen entstünden.

Fazit des ZIA-Präsidenten angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen: „Wir sind zu spät gekommen, uns bestraft schon das Leben – beim Wohnungsmarkt geht es inzwischen ums Überleben.“

Der Gewerbeimmobilienmarkt funktioniert, dank geringerer Regulierung, besser

Am robusten gewerblichen Immobilienmarkt sei die Attraktivität speziell im Büro- und Logistiksegment weiter gegeben.

Angesichts stark gestiegener Energiekosten rücken hier zunehmend die Energiebilanzen der Gebäude in den Fokus.

Empirica sieht den Wohnimmobilienmarkt weniger dramatisch

Empirica-Vorstand Simons, zuständig für Wohnimmobilien, zeichnete kein so düsteres Bild. Er erwartet keinen “Angebotsschock” und begründete dies mit noch ordentliche Fertigstellungen auch 2023. “Der Bauuüberhang, vielfach beklagt, stabilisiert uns jetzt.” Insgesamt rechnen die Gutachter mit steigenden Wohnungsmieten, warnen aber vor einer Regulierungsdebatte.

Bundesbauministerin Geywitz sieht bei sich oder der Regierung kein Versagen

Das von Mattner verlangte Mehr an Fördermitteln wies Bundesbauministerin Geywitz zurück.

Sie setzt u.a. auf den Durchbruch beim seriellen Bauen, um dem Wohnungsmangel zu begegnen. Wie sie das unterstützen kann, sagte sie allerdings nicht.

Bis Ende 2023 sollen Bauanträge bundesweit digital gestellt, bis 2024 auch vollständig digital bearbeitet werden können.

Kommentar: Großer Unterschied zwischen „vor der Wahl“ und „nach der Wahl“

Ein Konzept dazu gibt es offenbar nicht. Dass die Bauämter dabei allein gelassen werden und nach wie vor notgedrungen auf Fax zurück greifen, ließ sie außer Acht. Womöglich meint sie mit Digital aber auch die in den Behörden gern genutzten Faxgeräte.

Was Frau Geywitz offenbar nicht verstehen will ist, dass ein freier Markt die Probleme viel besser lösen kann, als sie selbst und auch kompetente Politiker. Eine zeitlich begrenzte, aber verlässliche Abschaffung von Mietspiegel und Mietpreisbremse wäre eine Lösung und sehr wohl im Interesse ihres Klientels läge, denn es wäre wie ein Turbo für den Wohnungsbau und würde mittelfrist zu einem massiven Überhang und damit fallenden Mieten sorgen.

Wenn sie dann noch die Bürokratie in den Baubehörden abbauen würde, könnte Geywitz ihr ambitioniertes Ziel, 1.600.000 neue Wohnungen während ihrer Amtszeit zu schaffen, vielleicht noch schaffen. Aber vermutlich wird Klara Geywitz auch an diesem Versprechen scheitern.

“Natürlich können wir auch nicht einen Stellplatzschlüssel wie 1960 beibehalten”, bemerkte die SPD-Politikerin immerhin.

Das vollständige Frühjahrsgutachten 2023 sowie die Zusammenfassung finden Sie unter www.fruehjahrsgutachten.de.

Jo.Wolter Immobilien, Braunschweig, 15.02.2023

Bild von Erich Westendarp auf Pixabay