Heute dürfen sich die Kinder zwar ihre Liebsten selbst aussuchen. Doch die Deutschen entdecken den Wert der eigenen vier Wände wieder. Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und -häusern wächst rapide, die Preise steigen deutlich. Schon geht die Angst vor der Übertreibung um. Alles pure Spekulation? Oder ist etwas dran am neuen deutschen Immobilienaufschwung? „Derzeit baut sich keine spekulative Blase am deutschen Immobilienmarkt auf”, schreibt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, in einer aktuellen Immobilienstudie. Das Zinsniveau, die Euro-Sorgen, die unsichere Rente – für viele Experten ist der deutsche Immobilienmarkt alles, aber nicht überhitzt. Im Gegenteil: Der Trend dürfte sich fortsetzen. FOCUS-MONEY nennt Häuslebesitzern und allen, die es werden wollen, zehn Gründe, warum die Immobilienpreise steigen werden.

1. Die Bauzinsen sind niedrig wie nie

Die Republik wird zum Land der Häuslebauer. „Der Trend hin zu den eigenen vier Wänden in Deutschland ist markant”, erklären die Experten des IW Köln in der Studie. Rund 46 Prozent aller Wohnungen und Häuser hierzulande werden von den eigenen Besitzern bewohnt, so aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. Im Jahr 2006 lag die Eigentumsquote noch bei 41,6 Prozent. Das hat vor allem einen Grund: die niedrigen Zinsen. Die eigenen vier Wände werden schlichtweg finanzierbar. Wie eine simple Rechnung zeigt: Wer heute für ein Eigenheim 350.000 Euro benötigt, bekommt den Immobilienkredit zu rekordniedrigen Zinsen von 2,4 Prozent jährlich. Und zwar bei zehnjähriger Zinsbindung. Das sind pro Monat rund 700 Euro. Plus zwei Prozent Tilgung ergibt eine Monatsbelastung von 1.280 Euro. Vor fünf Jahren mussten Häuslebauer noch fünf Prozent Zinsen berappen – allein die monatlichen Zinskosten waren mit knapp 1.500 Euro also mehr als doppelt so hoch. Im Jahr 2000 kostete das Vergnügen der eigenen vier Wände gar 6,5 Prozent. Zinskosten: 1.900 Euro im Monat. Beträge, die für die meisten Normalverdiener, vor allem mit Kindern, nicht zu stemmen waren. Heute gibt es die gleiche Hausfinanzierung also zu etwas mehr als einem Drittel der Kosten. Werden die Zinsen in den kommenden Monaten ruckartig steigen? Unwahrscheinlich. Schließlich sind die Staatsschuldenprobleme weder in Europa noch in Amerika gelöst.

2. Grundbuch statt Sparbuch

Des einen Freud, des anderen Leid. Während Häuslebauer jubeln, wird die Suche nach sicheren Zinsen für Sparer und Anleger zur Qual. Selbst deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mehr als 20 Jahren bieten derzeit nur eine Rendite von rund zwei Prozent jährlich. Papiere mit vier Jahren Laufzeit „locken” mit 0,17 Prozent. Der Anlagenotstand befeuert die Immobiliennachfrage. „Die Euro-Krise hat die Unsicherheit der Anleger verstärkt und die Suche nach Alternativen forciert – Wohnimmobilien in Großstädten gelten als ein sicherer Hafen”, notieren die Autoren des IW Köln. Vermietete Wohnungen in guten Lagen bringen Renditen von vier bis sechs Prozent.

3. Angst vor dem Euro-Kollaps

Der Euro vergeht, Hektar besteht. Wer kann schon mit Sicherheit sagen, wie lange es die Gemeinschaftswährung noch gibt? Wenn selbst ein Mitglied der Regierungspartei davon ausgeht, dass die Währungsunion binnen 18 Monaten auseinanderbricht (vgl. FOCUS-MONEY 32/2012). Natürlich ist das Euro-Ende noch nicht ausgemacht. Dennoch suchen Investoren für ihr Vermögen Schutz bei Sachwerten wie Immobilien. Ein Haus oder eine Wohnung bleibt ein Wert, auch wenn die Griechen oder sogar Spanien final pleitegehen, die Gemeinschaftswährung zerbricht oder die Wirtschaft wieder in die Rezession abdriftet.

4. Die Panik vor der Inflation

Es ist die Urangst der Deutschen. Die Furcht davor ist wahrscheinlich größer als die vor einem Euro-Zusammenbruch: Inflation. Finanzexperten nennen sie gern finanzielle Repression. Denn sie bringt Sparer um ihr Vermögen. Aktuell liegt die Inflationsrate in Deutschland bei zwei Prozent. Ein Vermögen von 10.000 Euro ist bei dieser Teuerungsrate in 15 Jahren nur noch 7.500 Euro wert. Sparer verlieren also ein Viertel. Tagesgeld bringt derzeit im Schnitt weniger als 1,4 Prozent jährlich. Damit schaffen Anleger also schon nicht mehr, die aktuelle Geldentwertung auszugleichen. Von einer realen Rendite ganz zu schweigen. Auch in diesem Umfeld führt kein Weg an Sachwerten vorbei. Schließlich erhöht sich langfristig ihr Wert mit der Inflationsrate.

5. Es gibt keine Spekulationsblase

Typisch deutsch. Da steigen die Immobilienpreise endlich mal, schon geht die Angst vor der Überhitzung um. Tatsächlich sind die Immobilienpreise lange Zeit real gesunken. Zwischen 2000 und 2008 lagen die Preisanstiege bei Häusern und Wohnungen unter der Inflationsrate. Im Bundesdurchschnitt erhöhten sie sich zwischen 2003 und 2011 um rund zehn Prozent. Lediglich in Hamburg (plus 31 Prozent), Berlin (plus 39 Prozent) und München (23 Prozent) wurden Immobilien deutlich teurer. Fazit des IW Köln-Direktors Hüther: „Die Preise folgen den fundamentalen Faktoren wie den Mieten und den Einkommen, was eine künftige Preiskorrektur nach unten eher ausschließt.” Gegen die Spekulationsblase spricht auch: Trotz niedriger Zinsen gibt es keine amerikanischen Verhältnisse, wo Häuser teils komplett ohne Eigenkapital finanziert wurden. Die Kreditbestände für Wohnungskäufe erhöhten sich hierzulande in den vergangenen zehn Jahren um gerade einmal sieben Prozent. In Spanien, wo die Immobilienblase im Zuge der Finanzkrise platzte, stieg das Volumen um mehr als 150 Prozent. „Die Haushalte in Deutschland nutzen jedoch die niedrigen Zinsen vorrangig, um schneller zu tilgen und sich längerfristig abzusichern. Die Eigenkapitalanteile bei der Finanzierung bleiben konstant oder steigen sogar”, erklärt Hüther.

6. Wohnraum ist knapp

Gerade in den größeren Städten sind Wohnungen Mangelware. Allein für München rechnen Experten damit, dass sich die Zahl der Einwohner bis 2030 um 15 Prozent erhöht. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) schätzt bis 2015 den Neubaubedarf auf 193.000 Wohnungen und Häuser pro Jahr. Zwischen 2016 und 2020 müssen mindestens 155.000 neue Wohneinheiten jährlich entstehen. Selbst unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und der langfristig sinkenden Bevölkerungszahlen hierzulande kommen die Experten des IW Köln zu dem Schluss, „dass die Wohnflächennachfrage noch bis in die 2030er-Jahre konstant sein wird”.

7. Es wird immer noch zu wenig gebaut

183.000 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr fertiggestellt. Das deckt den vom BBSR errechneten Bedarf noch lange nicht. Aber: erstmals seit vielen Jahren steigt die Zahl der gebauten Wohnungen wieder. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 wurden noch 320.000 Wohnungen fertiggestellt. Wegen der hohen Nachfrage und der niedrigen Zinsen rechnen Experten damit, dass auch in den kommenden Jahren mehr gebaut wird. So stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser um 17,5 Prozent. Dennoch überragt die Nachfrage nach wie vor das Angebot. Zu dem Schluss kommen auch die Experten des BBSR.

8. Mehr Menschen sind in Lohn und Brot

Günstigeres Baugeld und höhere Löhne – mehr Menschen schaffen den Sprung in die eigenen vier Wände. Und halten die Nachfrage nach Immobilien hoch. In den vergangenen fünf Jahren stiegen bundesweit die Bruttogehälter um zehn Prozent. Für das laufende Jahr rechnen Experten mit einem Anstieg um mehr als zwei Prozent.

9. Metropolen im Ausland sind viel teurer

Immobilienpreise – ein Schnäppchen? Gerade in München ist es kaum vorstellbar, schließlich beträgt die Kaltmiete für eine 2-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt selten weniger als 1.000 Euro: Doch die Wohnkosten in deutschen Städten sind im Vergleich zum Rest der Welt günstig. In Relation zu den Einkommen liegen die Mietkosten weiter unter denen von Städten wie Oslo, Kopenhagen, Rom oder Paris. Damit bleibt in den großen Städten noch Luft für steigende Mieten. Was Immobilien attraktiver macht.

10. Die Rente ist nicht sicher

Die jüngsten Horrorschlagzeilen über die drohende Altersarmut zeigen wieder einmal überdeutlich: Auf die staatliche Rente dürfen sich Bürger nicht verlassen. Vor allem, wenn sie noch 30 Jahre arbeiten müssen. Zu wissen, dass man im Alter in einer abbezahlten Wohnung leben kann, beruhigt. Dass immer mehr Menschen das Eigenheim als Teil der Altersvorsorge sehen, zeigt die Entwicklung bei der Riester-Rente: 80 Prozent aller Neuabschlüsse zuletzt waren Wohn-Riester.

 

Quelle: Focus-Money, Ausgabe 38/2012, Autor Peter Boed