
Im Wohnungsbau gibt es endlich wieder positive Schlagzeilen: Im September 2025 wurde in Deutschland der Bau von 24.400 Wohnungen genehmigt – fast 60 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
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Politik und Verbände sprechen von Trendwende auf dem Immobilienmarkt und verweisen auf den frisch beschlossenen „Bauturbo“. Aber ist das wirklich der Startschuss für mehr Wohnungen – oder vor allem eine statistische Momentaufnahme?
ZAHLEN IM DETAIL: STARKER SEPTEMBER, SCHWACHER VERGLEICH
Laut Statistischem Bundesamt wurden im September 2025 insgesamt 24.400 Wohnungen genehmigt, 59,8 Prozent beziehungsweise 9.100 Einheiten mehr als im September 2024.
Der kräftige Sprung relativiert sich allerdings, wenn man den Vergleichsmonat betrachtet: Im September 2024 waren nur 15.300 Wohnungen genehmigt worden – der niedrigste Monatswert seit Januar 2012.
Im reinen Neubau fällt der Zuwachs noch deutlicher aus:
Im September 2025 wurden 20.900 Wohnungen in neu zu errichtenden Gebäuden genehmigt, ein Plus von 80,1 Prozent oder 9.300 Einheiten gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Zahl der genehmigten Wohnungen, die durch Umbau bestehender Gebäude entstehen, sank dagegen leicht auf 3.500 (–4,9 Prozent bzw. –180 Wohnungen).
Auch die Jahresbilanz bis einschließlich September hat deutlich aufgeholt:
Von Januar bis September 2025 wurden 175.600 Wohnungen in neuen und bestehenden Gebäuden genehmigt – 11,7 Prozent bzw. 18.400 mehr als im gleichen Zeitraum 2024.
Dabei entfielen 142.600 Wohnungen auf neu zu errichtende Wohngebäude, ein Plus von 14,2 Prozent bzw. 17.800. Innerhalb dieses Segments zeigen sich interessante Verschiebungen:
33.300 Einheiten in Einfamilienhäusern (+17,4 Prozent bzw. +4.900),
9.500 in Zweifamilienhäusern (–2,8 Prozent bzw. –270),
93.100 in Mehrfamilienhäusern (+13,0 Prozent bzw. +10.700) und
6.700 Wohnungen in Wohnheimen (+55,9 Prozent bzw. +2.400), so das statistische Bundesamt.
Als Umbaumaßnahmen wurden von Januar bis September 29.900 Wohnungen genehmigt – 3,9 Prozent bzw. 1.100 mehr als im Vorjahr.
KURZFRISTIGER BOOST, LANGFRISTIG NUR MODERATER TREND
Zwei Entwicklungen laufen gleichzeitig:
Erstens: Der September-Effekt ist sichtbar ein Basiseffekt. Fast 60 Prozent Plus gegenüber einem historischen Tiefstand klingen beeindruckend, sagen aber wenig darüber, ob das Niveau insgesamt wieder auskömmlich ist. Branchenverbände wie der GdW weisen explizit darauf hin, dass der hohe Zuwachs im September maßgeblich auf den extrem schwachen Vorjahresmonat zurückgeht.
Zweitens: Hinter diesem Basiseffekt steht ein echter – wenn auch noch verhaltener – Aufwärtstrend. Schon von Januar bis August 2025 lag das Plus bei den Genehmigungen bei rund 6,5 Prozent; der starke September hat den Zuwachs nun auf 11,7 Prozent hochgeschoben.
Trotzdem bleibt das Niveau niedrig: Die Anzahl der Wohnungsbaugenehmigungen bewegt sich weiterhin etwa auf dem Stand von 2012 und deutlich unter den Spitzenjahren 2016 bis 2021.
Noch deutlicher wird es bei den Fertigstellungen: 2024 wurden nur 251.900 Wohnungen fertiggestellt – der niedrigste Wert seit 2015.
„BAUTURBO“: WICHTIGES SIGNAL, ABER NOCH KEINE WIRKUNG IN DEN ZAHLEN
Der politisch viel zitierte „Bauturbo“ – das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ – ist erst Ende Oktober 2025 in Kraft getreten.
Kernelement ist der neue § 246e BauGB: Kommunen können bis Ende 2030 in bestimmten Fällen von planungsrechtlichen Vorgaben abweichen, ohne einen klassischen Bebauungsplan aufzustellen. Bauvorhaben können damit – vereinfacht gesagt – nach einer Prüfung von zwei bis drei Monaten zugelassen werden; bleibt eine Ablehnung aus, gilt der Antrag nach drei Monaten als genehmigt.
Wichtig für die Einordnung:
Die September-Zahlen können den Bauturbo noch nicht widerspiegeln – das Gesetz gilt erst ab 30.10.2025.
Ob und wie stark die neue Regelung in den kommenden Jahren wirkt, hängt davon ab, wie konsequent Kommunen sie anwenden und ob personelle Engpässe in den Bauämtern gelöst werden. Fachkommentare sprechen von einem „mutigen Instrument“, warnen aber zugleich, dass ohne aktive Nutzung in den Kommunen wenig passieren wird.
Parallel dazu gibt es Kritik von Umweltverbänden, die einen Verlust geordneter Siedlungsplanung und Risiken für Natur- und Klimaschutz sehen.
GENEHMIGT IST NICHT GEBAUT: LÜCKE ZUM BEDARF BLEIBT GROSS
Die Politik hatte sich das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr gesetzt – dieses Ziel gilt nach Einschätzung des Pestel-Instituts auch Ende 2025 als deutlich verfehlt
Selbst wenn man die 175.600 Genehmigungen der ersten neun Monate auf das Gesamtjahr hochrechnet, landet man bei Größenordnungen von deutlich unter 300.000 Wohnungen – zu wenig, um den aufgelaufenen Bedarf abzubauen.
Hinzu kommt: Genehmigungen werden längst nicht mehr automatisch gebaut. Steigende Baukosten, Fachkräftemangel und weiter hohe Bauzinsen (trotz mehrfacher Leitzinssenkungen der EZB auf inzwischen rund 2 Prozent Einlagenzins) bremsen nach wie vor viele Projekte aus.
Der Präsident des Immobilienverbandes IVD erinnert daher zu Recht: „Genehmigt ist in Deutschland nicht gleichbedeutend mit fertiggestellt.“
PROFITEURE DES AUFSCHWUNGS: MEHRFAMILIENHÄUSER UND EINFAMILIENHÄUSER
Positiv ist, dass der Anstieg vor allem dort stattfindet, wo der Wohnungsmangel am ehesten gelindert werden kann: In Mehrfamilienhäusern wurden von Januar bis September 93.100 Neubauwohnungen genehmigt, 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Parallel dazu erleben Einfamilienhäuser eine kleine Renaissance: 33.300 genehmigte Einheiten entsprechen einem Plus von 17,4 Prozent. Zweifamilienhäuser bleiben dagegen leicht rückläufig (-2,8 Prozent).
Für Projektentwickler, Investoren, aber auch für Eigennutzer ist das ein zweischneidiges Signal:
Auf der einen Seite zeigen die Zahlen, dass Finanzierungen wieder häufiger durchgerechnet werden und Projekte zumindest genehmigungsreif sind.
Auf der anderen Seite bleibt das Marktumfeld so anspruchsvoll, dass jede Genehmigung genau auf Baukosten, Finanzierung und Vermarktungschancen geprüft werden muss.
FAZIT VON JO. WOLTER IMMOBILIEN, BRAUNSCHWEIG
Der starke September ist beides: ein statistischer Ausreißer nach oben – und ein echter Stimmungsindikator nach drei sehr schwachen Jahren. Der spektakuläre Wert von fast +60 Prozent beruht maßgeblich auf einem extrem niedrigen Vergleichsmonat; der Bauturbo hat an diesen Zahlen noch keinen Anteil, weil er erst Ende Oktober 2025 in Kraft getreten ist.
Unter der Oberfläche ist aber ein vorsichtiger, realer Aufwärtstrend erkennbar: plus 11,7 Prozent Genehmigungen in neun Monaten, ein deutliches Plus bei Mehrfamilienhäusern und Einfamilienhäusern und ein leichter Zuwachs bei Umbauten.
Gemessen am Bedarf von mehreren hunderttausend fehlenden Wohnungen bleibt das allerdings ein zartes Pflänzchen, wobei allerdings die außerordentlich schlechte Wohnungsbaupolitik der Ampel Koalition und der glücklosen Bundesbauministerin Geywitz noch nachwirkt.
Ob aus der positiven Momentaufnahme ein echter Bau-Boom wird, entscheidet sich nicht in der Statistik, sondern auf den Baustellen:
bei den Baukosten,bei den Finanzierungen der Banken und vor allem bei der Handlungsbereitschaft der Kommunen, den Bauturbo tatsächlich zu nutzen – das wird wohl von Kommune zu Kommune unterschiedlich gehandhabt werden, vor allem auch aus politischen Gründen.
Für Eigentümer, Investoren und Eigennutzer heißt das: Die Talsohle bei den Genehmigungen scheint durchschritten, aber der Markt bleibt selektiv. Wer jetzt plant, muss solide rechnen – und kann in guten Lagen davon profitieren, dass neue Projekte noch immer nicht im Überfluss auf den Markt kommen.